Der Artikel richtet sich an Spielleiter, und enthält ein paar kleine Spoiler.
Viele Spielleiter, mich angeschlossen, sind schon in dieselbe Falle getappt. Man nimmt ein Monster aus dem Bestiarium, wirft es den Spielern entgegen und wundert sich, dass es im nu besiegt ist, ohne größere Schwierigkeiten. Sicherlich ist es für die Spieler auch mal schön, einen Kampf total zu dominieren, aber das wird auf Dauer ganz schnell langweilig. Herausforderungen sind wichtig! Ich werde mich daher in den folgenden drei Artikeln mal eingehend mit dem Bestiarium beschäftigen. Ich vermische hier Informationen aus Andy Laws Blog (WFRP Entwickler) und meinen eigenen Erfahrungen und Beobachungen.
Folgende Artikel plane ich:
- Vorgefertigte Monster richtig einsetzen
- Eigene Monster bauen
- Schwächen und Hürden des Systems und wie ich versuche, sie auszubügeln
Phantastische Tierwesen und wie man sie richtig einsetzt
Mein wichtigster Tipp, der wahrscheinlich nicht für jeden total neu ist, wäre: Verstehe die Kreatureneigenschaften und wende sie so gut es geht an. Gerade große Einzelmonster ziehen ihre Bedrohlichkeit meist aus den ganzen Kreatureneigenschaften. Wenn ich so einen wichtigen ("End")-Kampf vorbereite, mache ich mir für das Monster gerne ein eigenes Cheat-Sheet, welches die Regeln dafür enthält. Hier zum Beispiel mein Sheet für den Teufelsschrecken:
Ich lege das Word-Dokument und die Schriftart bei, damit du dir deine eigenen Sheets bauen kannst. Zögere nicht, mich bei Facebook oder Discord anzuschreiben, dann bauen wir eine Sammlung auf. Lade Dir den Spickzettel am besten jetzt herunter, ich gehe nun darauf ein:
Die reinen Spielwerte des Trolls lesen sich erstmal nicht so krass. KG40 - na ja, viele Spielercharaktere werden mehr haben. Gut, die Lebenspunkte sind ne Menge. Besonders, wenn man bedenkt, dass dank Widerstandsbonus und Rüstung jedes mal 6 Punkte vom Schaden abgezogen werden. Zäh ist er also. Wenn man nun aber bedenkt, dass das Vieh jede Runde 1W10 LP regeneriert (Regeneration), bei einer 10 sogar einen kritischen Treffer, dass kritische Treffer keine Auswirkungen haben (Schmerzfrei) und dass er sogar 4 Runden nach seinem Tod eine 45% Chance hat, mit 1 LP wieder aufzustehen (Nicht totzukriegen), dann wird das schon heftiger.
Auf dem Spickzettel habe ich auf der Rückseite (Seite 2) die ganzen Kreatureneigenschaften aufgelistet, plus die Effekte seiner Größe. Auf der Vorderseite finden sich neben den Spielwerten Felder um die Lebenspunkte abzustreichen
Kampfbeispiel
Ich male hier mal das absolute Worst-Case Szenario für die Spieler, um zu verdeutlichen, wo das Biest seine Stärke hernimmt:
Es ist Nacht in Übersreik. Der Teufelsschrecken lauert im Wasser, nahe des Kais. Seine bösen Augen beobachten das Geschehen am Ufer. Er ist alt und schlau, schlauer als durchschnittliche Artgenossen. Es ist wie ausgestorben in Teubrücke, nur die eine Gruppe von vier Abenteurern ist vor Ort und sucht nach Spuren. Die Gruppe besteht aus einer Stadtwächterin, einem zwergischen Technicus, einem Halbling-Straßenkünstler und einem Scharlatan. Sie bleiben dicht beieinander. Eine einzelne Öllaterne in der Nähe wirft ein schummriges Licht. Nebel zieht vom Teufel hoch ans Ufer. Perfekte Jagdbedingungen. Das Herz des Trolls schlägt schneller. Noch kurz den Letzen vorbeilaufen lassen... jetzt!
Der SL lässt die Gruppe einen sehr schweren (-30) Wahrnehmungs-Wurf würfeln. Der Zwerg und der Halbling würfeln dank der Nachtsicht nur mit -10. Der Troll ist im Wasser direkt neben ihnen nicht zu entdecken. Es ist neblig, dunkel und das Biest fast vollständig unter Wasser. Nur der Halbling schafft seinen Wurf.
Der Troll schießt aus dem Wasser. Beginn Kampfrunde, Initiative wird gewürfelt. Da keiner die Wahrnehmungsprobe geschafft hat, ist die Gruppe überrascht.
Außerdem muss die Gruppe sofort Gegen Angst (1), der Halbling gegen Entsetzen (2) würfeln, auf Grund der Größe des Biests.
Da der Teufelsschrecken wahrscheinlich die schlechteste Initiative hat, gewährt im dies quasi einen freien Angriff, da die Gruppe wegen des Überrascht-Zustandes einmal aussetzen muss. Danach sind erstmal alle Gruppenmitglieder dran.
Er macht einen Sturmangriff auf den ihm nächsten Charakter, eine menschliche Stadtwächterin mit seinem KG +40, plus 10 vom Vorteil aus dem Sturmangriff +20 weil seine Gegnerin überrascht ist. Die Verteidigerin verfügt über Nahkampf (Standard) 50 und Ausweichen 40. Glücklicherweise trug sie ihre Waffe bereits in der Hand, allerdings erhält sie beim Parieren gegen große Gegner einen Abzug von -2 EG (S. 340). Sie entscheidet sich daher fürs Ausweichen. Sagen wir sie würfelt eine 45 (= +1 EG), der Troll hat bei seinem Angriff eine 56 gewürfelt (= +2 EG) und trifft somit mit 1 EG (Vorteil steigt auf 2). Schadensberechnung: Sein Waffengrundschaden ist 9. Hinzuaddiert würden normalerweise die EG, da er eine Stufe größer ist, erhält seine Waffe aber die Eigenschaft "Verwundend", was ihm erlaubt, statt der EG die Einerstelle aus seinem Würfelwurf von 56 zu verwenden, also 6. Macht 14 Schaden. Trefferzone ist 65, also Körper. Abzüglich Rüstung und WiB sind das 10 Schaden. Autsch. Dann ist die Runde des Trolls ja jetzt vorbei, richtig?
Todesstoß
Aufgrund seiner Größe kommt die Todesstoß-Regel zum Tragen (S. 340, S. 160). Dank KG-Bonus 4 sogar bis zu vier Mal. 😱
Er schiebt die Verteidigerin weg, rückt an ihren Platz und greift den zwergischen Technicus-Student neben ihr an. Dieser verfügt über KG 55 und Ausweichen 25 und entscheidet sich daher fürs Parieren. Der Troll ist inzwischen bei KG80 (KG 40 + Vorteil 2 + 20 wg. Überrascht) und würfelt eine 82 (-0 EG). Der Zwerg pariert und würfelt eine 43 (+1 EG), da ihm aber 2 EG fürs Parieren gegen größere Gegner abgezogen werden, landet er bei -1 EG. Der Troll trifft wieder mit +1 EG (Vorteil steigt auf 3), macht 11 Schaden (Waffe 9 plus Einerstelle von 82), der Zwerg wird am rechten Arm getroffen (28) und muss sich 5 Punkte abziehen.
Der Teufelsschrecken schiebt den Zwerg beiseite und greift den nächsten an, einen Halbling-Straßenkünstler. Dieser würde aufs Parieren sogar -4 EG kriegen und entscheidet sich fürs Ausweichen mit einem Wert von 53. Der Troll schlägt zu mit KG 90 und würfelt eine 43. Was +5 EG bedeutet - Der Halbling weicht aus: 23 - nicht schlecht, 3 EG, reicht nur leider nicht. Der Teufelsschrecken trifft mit +2 EG (Vorteil steigt auf 4). Dadurch dass er zwei Stufen größer ist als der Halbling, ist seine Waffe nicht verwundend, sondern Wuchtig, er darf die Einerstelle also zu den EG dazu addieren, anstatt sich für eins zu entscheiden. Waffengrundschaden 9 plus 2 EG plus die 3 aus der 43 sind 14 Schaden. Allerdings: Alle von einer größeren Kreatur angerichteten Schäden werden mit der Anzahl der Stufen multipliziert, um die sie größer ist (also x2 bei zwei Stufen, ×3 bei drei Stufen usw.); dieser Multiplikator kommt nach allen anderen Modifikatoren zur Anwendung. Ergibt 28 Schaden. Der Straßenkünstler geht zu Boden.
Der letzte Spielercharakter, ein menschlicher Scharlatan steht zu weit weg, so dass der Troll nicht an ihn rankommt.
Freie Attacken
Also dreht dieser sich auf dem Absatz herum und greift den Zwerg an, mit einer seiner freien Attacken, einem Biss (+8). Dafür muss er nur einen Vorteil ausgeben (Vorteil sinkt auf 3). Der Zwerg ist nun nicht mehr überrascht, da er bereits attackiert wurde. Der Troll würfelt also mit KG70 (KG 40 + Vorteil 3) eine 67 (+1 EG), der Zwerg pariert wieder mit einer 32, nach Abzug von -2 EG sind das +0. Wieder getroffen (Vorteil steigt wieder auf 4): Schadensberechnung: Biss 8 plus 7 aus der 67 macht 15 Schaden auf den Körper, abzüglich 6 (WiB + Rüstung) bleiben 9. Der Zwerg steht noch, ist aber fast auf 0 LP. Der Troll setzt nach, bei ihm läufts grade: Er führt eine Niedertrampeln Attacke gegen den Zwerg aus, auch diese Kreatureneigenschaft erhält er wegen seiner Größe.
Und ja, jede Kreatureneigenschaft, die eine freie Attacke liefert, kann pro Zug einmal eingesetzt werden. Andy Law hat dies in der inoffiziellen FAQ bestätigt. Beim Troll also Biss & Niedertrampeln. Wenn die Kreatur z.B. Biss, Klaue, Niedertrampeln hat, sind das 3 freie Attacken pro Zug, vorausgesetzt es ist Vorteil da
Der Teufelsschrecken gibt also wieder einen Punkt Vorteil aus (Vorteil sinkt auf 3), wieder KG70 (KG 40 + Vorteil 3), würfelt eine 32, +4 EG. Der Arme Zwerg pariert wieder, eine 13, 4 EG, Minus die zwei fürs Parieren gegen größere bleiben +2 EG. Der Troll gewinnt mit +2 EG (Vorteil steigt wieder auf 4). Das macht 7 Punkte Schaden auf den rechten Arm (ST-Bonus 5 + EG). Der Zwerg steht noch.
Der Troll hat aber noch ein letztes Ass im Ärmel. Er kotzt.
Er kotzt die Stadtwächterin hinter dem Zwerg an. Dafür gibt er 3 Vorteile aus (Vorteil sinkt auf 1) "Alle Ziele innerhalb von zwei Metern zum Hauptziel werden ebenfalls getroffen" - so auch der Zwerg. Er würfelt gegen seine BF von 65, (BF 15 plus 10 wg. Vorteil 1 plus 40 wg. der Entfernung) und würfelt eine 60. Also 1 EG. Die Stadtwächterin würfelt mit Ausweichen 40 dagegen, eine 21, 2 EG. Sie kann zur Seite hüpfen. Der Zwerg würfelt eine 56 gegen seine Ausweichen 25, -3 EG, er wird mit Trollkotze überzogen. Er erhält nochmals 9 Punkte Schaden (Kotze: WiB + 4 + EG), einen Betäubt-Zustand, seine LP erreichen die 0 und als Folge geht er zu Boden und würfelt auf der kritische Treffer Tabelle. Außerdem erleidet seine Rüstung 1 Schaden.
Der Troll ist mit seinem ersten Zug fertig. Bilanz: zwei Spielercharaktere Niedergestreckt, einer verletzt. Nun beginnt die zweite Runde.
Die beiden verbliebenen Menschen erhalten natürlich entsprechende Abzüge von -20 auf Nahkampf und -30 auf Fernkampf, da sie keine Nachtsicht haben. Der Kampf ist eigentlich nicht mehr zu gewinnen.
Resümee
In diesem Beispiel habe ich wie Anfangs angekündigt den Worst Case gezeichnet. Der Troll hatte das Überraschungsmoment UND hat jede Probe gewonnen. Dies habe ich angenommen, um einmal zu demonstrieren, welches Potential in all den Kreatureneigenschaften steckt.
Ein viel häufigerer und wahrscheinlicherer Fall ist, dass das große Biest umzingelt wird und die Spielercharaktere dann Vorteile sammeln, weil sie ab dem dritten Mann +40 Überzahlbonus erhalten. Wie man damit umgeht, dazu später mehr...
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